Gedanken-Mix

Freigeist – Zweifel in der literarischen Arbeit

Wer in einem kreativen Beruf arbeitet, kennt sie sehr gut, die Zweifel am eigenen Schaffen. Allein die Vielzahl an persönlichen Blogbeiträgen von Autor*innen zeigt, wie omnipräsent das Thema ist. Auch ich komme in meiner täglichen Arbeit immer wieder an den Punkt, an dem ich mich selbst und meine Tätigkeit in Frage stelle. Daher wird es Zeit, mich einmal näher mit dem Zweifeln zu beschäftigen, was ist es genau und weshalb trifft es Kreative besonders stark?


Der arme Poet

Kennt ihr das Bild vom armen Poeten? Es ist ein Ölgemälde des Malers Carl Spitzweg, das einen Schriftsteller in seiner Dachgeschosswohnung zeigt. Ein Regenschirm ist aufgespannt, um Wasser abzuhalten, das durch das Dach tropft. Eine einsame Wäscheleine mit löchrigem Trockentuch hängt mitten im Raum, das Bett ist eine Matratze, der Ofen stößt an die Füße und überall liegen Bücher und Zeitungen herum. Das abschreckende Bild eines armen Mannes – könnte man meinen – und brand aktuell, bedenkt man wie wenig Autor*innen*  mit dem Verkauf ihrer Bücher verdienen*. Oder hart ausgedrückt, wie wenig diese Form der Arbeit in unserer Gesellschaft wertgeschätzt wird. Wie oft sie sogar belächelt wird, solange man keinen nennenswerten Erfolg damit hat. Ich möchte die Vermutung aufstellen, dass die Sicht auf das Gemälde von Spitzweg stellvertretend für den Ursprung des Zweifelns an der kreativen Arbeit von Autor*innen steht. Zuerst jedoch eine Definition.

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„Der arme Poet“, Carl Spitzweg 1839

Definition

Zweifeln. Im Wortsinn bezieht sich Zweifeln auf eine Unsicherheit in uns, die sich um Entscheidungen, Taten, Vertrauen oder auch Fähigkeiten beziehen kann. Ist das, was ich tue sinnvoll, ist es überhaupt richtig? Ich möchte behaupten, gerade dann, wenn uns etwas besonders wichtig ist, zweifeln wir am meisten. Während das reine Zweifeln nur eine vorübergehende Unsicherheit darstellt, ist das Verzweifeln ein kaum zu ertragender Zustand. Die Zweifel werden so groß, dass kein Ausweg  mehr möglich ist.

Freigeist. Das Wort entstand im 18. Jahrhundert und wurde negativ konnotiert benutzt, um Personen zu bezeichnen, die sich abseits von religiösen Glaubensvorstellungen bewegten. Heute hat er eine positive Bedeutung, die eng mit dem Gedanken verbunden ist, sich eigenständig Werte und Moralvorstellungen, unabhängig von festen Vorstellungen, aneignen zu können. Es handelt sich also um eine Personengruppe, die sich nicht in die gegebene Gesellschaft einfügt, sondern vielmehr außen Vor sind.

„Der neuzeitlich im Positiven benutzte Begriff Freigeist beinhaltet die Intention, sich eigenständig über persönliche sowie gesellschaftspolitisch liberale Werte zu identifizieren und auszudrücken. “ (wertsysteme.de)


Nicht die Butter vom Brot nehmen lassen

Es ist kein Geheimnis, dass wir uns in einer Gesellschaft befinden, die auf Produktivität und Gewinn ausgerichtet ist. Erfolg wird daran gemessen, wie viel finanzielles Kapital wir besitzen, ob wir ein großes Haus haben, ein Auto oder anderes, das zeigt, was wir haben. Das sind Standards, die sich im Rahmen der Industrialisierung und der boomenden Nachkriegszeit immer mehr verfestigt haben. Sie haben ältere, glaubensgeprägte Normen abgelöst. Zahlen drücken in unserer Zeit aus, wie unsere Fähigkeiten zu bewerten sind. Ob das unser Einkommen ist, die Anzahl von Freunden auf Social Media Plattformen oder Noten in der Schule. Immer müssen sichtbare Beweise erbracht werden, damit wir Anerkennung bekommen. Das heißt, wer als Autorin wenig verdient oder zum Beispiel seine Tätigkeit durch einen Brotjob finanziert, sich also vom Schreiben keine nachweislichen Güter kaufen kann, hat keinen Erfolg. In dem Sinne ist eine der beliebtesten Fragen an Autor*innen „Wie viel verdienst du denn mit den Büchern?“ Wer darauf keine Antwort hat, herumdruckst oder z. B. antwortet: „Fast nichts, denn das Verlagsgeschäft ist hart“ wird in seiner Tätigkeit häufig nicht ernst genommen. Die Zweifel sind vorprogammiert. Hobby vs. Beruf sind hier die Schlagworte, dabei gibt es durchaus andere, wichtige Parameter für den Wert von kreativer Arbeit. Die Tiefe der Gedanken, die literarische Qualität oder die Kunst Worte neu zu erfinden. Doch davon ist eher selten die Rede. Manch eine Autor*in bringt jährlich drei Bücher heraus, um einen nennenswerten Verdienst zu generieren – Moderne Fließbandarbeit.

Kommen wir zurück zu den Zweifeln. Nach der oben stehenden Definition sind sie negativ zu bewerten, denn sie bilden ein Kontra zum selbstbewusst auftretenden Menschen. Wer zweifelt, sprich unsicher ist, zeigt Schwäche, und Schwäche ist schlecht. Schwach sein heißt, sich die Butter vom Brot nehmen zu lassen und am Ende mit Nichts dazustehen. Wer so dumm ist, das zuzulassen, hat, zugespitzt, selbst Pech. Dieses Modell des „der Stärkere siegt“, ist für Kreative sehr ermüdend.

Produktion ohne sichtbaren Erfolg

Der arme Poet, der höchstens mal ein Buch pro Jahr produziert, wenig besitzt und noch weniger Geld hat, ist nach unseren Standards also ein Verlierer. Kaum jemand wird sich sein Los wünschen. Kein Wunder also, dass Fragen à la „Wie habe ich Erfolg?“, „Was ist Erfolg?“, „Muss ich einen Bestseller schreiben, um Autor*in zu sein?“ einen zum Verzweifeln bringen können. Aus diesem Grund wachsen Ratgeber aus dem Boden, die mit Tipps dazu nur so um sich werfen. Da wird zum Beispiel gesagt, wie oft Autor*innen auf Social Media Kanälen Beitrage teilen sollen, damit sie mehr Reichweite bekommen, also sichtbare Beweise ihres Erfolgs liefern können. Ich erinnere mich noch dunkel daran, dass es die magische Zahl von drei Beiträgen pro Tag zu einer festen Uhrzeit als Tipp gab (morgens, mittags, abends). Angenommen ich bin auf Facebook, Instagram, Twitter und meiner eigenen Webseite aktiv. Wenn ich also davon ausgehe, ich müsste auf allen vier Plattformen** täglich drei Beiträge veröffentlichen, komme ich auf die Zahl von zwölf. Zwölf Postings pro Tag, die je nach Plattform in Umfang und Gehalt differieren und bitte auch noch jeweils anders sein müssen. Für ein Posting brauche ich mindestens zehn bis zwanzig Minuten. Rechne ich das mal zwölf ergibt sich eine Summe, die nicht zu schaffen ist. Bei einem Vortrag zum Thema vor etwa drei Jahren fragte ich einen der Vortragenden, was genau ich denn als Autorin zum Beispiel für Inhalte teilen soll, damit sie interessant sind. Seltsamerweise gab es darauf keine Antwort. Hauptsache irgendwas. Zahlen, Zahlen, Zahlen. Auf Knopfdruck produzieren, als ob ich am Band stehe und ein Auto zusammenschraube, nur das keiner weiß, ob es ein Auto wird oder doch ein Stuhl …? Sich an diese Tipps zu halten mindert die Unsicherheiten meiner Erfahrung nach überhaupt nicht. Im Gegenteil es verstärkt sie nur. Ein echter Teufelskreis, der dazu führt, dass produziert, produziert und produziert wird, ohne dass es sichtbare Erfolge gibt. Frustrierend und unnötig.

Der Freigeist

Das klingt bis dato ja alles irgendwie weniger schön. Als ob ich als Kreative nicht so richtig zu unserer Gesellschaft passe. Und ja, das ist so. Ich würde behaupten, dass Kreative nicht die Pflicht haben, ihren Erfolg in Zahlen auszudrücken. Denn schaue ich mir die Rolle von Autor*innen anhand der Definition des Freigeistes genauer an, wird doch offensichtlich, dass es darum geht, eigenständige Werte zu schaffen, mit denen ich mich persönlich identifiziere. Einen freien Geist haben. Das ist unsere Stärke, wir entsprechen eben nicht dem Standard und werden deshalb argwöhnisch beäugt. Das ist jetzt so, das war schon früher so und das wird wohl immer so bleiben. Das bedeutet nicht, dass wir weniger erfolgreich sind, wird arbeiten nur anders. Zweifel gehören  aus den oben genannten Gründen eben einfach dazu, sie müssen nicht zwingend negativ sein, da sie oft zu neuen Erkenntnissen führen, die (ich werfe das jetzt provokativ in den Raum) Menschen mit einer allzu starren Vorstellung von der Welt nie haben werden. Lange Rede kurzer Sinn: Das Zweifeln gehört zur literarischen Arbeit dazu und macht sie sogar aus. 

+Mika+

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*Hierzu empfehle ich die Artikel zur Insolvenzmeldung von KNV oder aber den Aufschrei bezüglich der Nichtzahlung von Tantiemen in einem Kleinverlag.
**Der Tipp galt für Facebook, jede Social Media Plattform muss anders gepflegt werden, ich habe hier vereinfacht.

Quellen

https://karrierebibel.de/zweifel-skepsis/ (Für und Wider des Zweifelns im Beruf)

https://www.researchgate.net/publication/281754676_Zweifeln_als_Chance_Zweifeln_als_Problem_Sprachliche_Zweifelsfalle_im_Deutschunterricht (Definition)

https://freigeistmanifest.wordpress.com/

Beitragsbild: Mika M. Krüger

Gedanken-Mix

Highlights 2019

Es ist vorbei, das Jahr 2019, in dem ich mir vorgenommen habe, mich auf das Spaßige zu konzentrieren und jeden Druck mit einem Winken beiseite zu wischen. Meinem inneren Kritiker habe ich mutig widersprochen, der Zweiflerin die Stirn geboten und dem Angsthasen Beine gemacht. Der Plan ging auf, am Ende waren da nur noch ich und meine Texte. Was für ein Befreiungsschlag.
An dieser Stelle daher ein wehmütiger Rückblick, denn das vergangene Jahr war für mich erfüllend und aufregend.

Manuskript und dritte Überarbeitung beendet

2018 habe ich begonnen, meinen Schauerroman Goldrote Finsternis zu schreiben und bin kurz vor Weihnachten mit der letzten Überarbeitungsrunde fertig geworden. Das Manuskript liegt bei meinen Testler*innen und nun bin ich gespannt, was sie sagen werden. Ergeben die eingebauten Rätsel alle Sinn, ist der rote Faden erkennbar, werden sie am Ende so überrascht, wie ich es geplant habe? 2020 wird der Roman veröffentlicht und ich hoffe, ich kann euch mitreißen.

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Rückkehr zum Zeichnen und der Malerei

Es gab Zeiten in meinem Leben, da habe ich täglich gezeichnet. Protagonistinnen aus meinen Büchern, Drachen, Zauberwesen. Seit einigen Jahren ist mir die Leidenschaft dafür abhanden gekommen, das berühmte weiße Blatt hat mich meist vorwurfsvoll angestarrt und ich konnte nur mal hier und da ein paar Skizzen entwerfen. Dieses Jahr löste sich ein Knoten. Ich habe die Handlungsorte aus Goldrote Finsternis gezeichnet, Acrylmalerei begonnen und geisterhafte Gestalten auf Leinwand gebannt. Frei nach dem Motto Kunst darf alles und muss gar nichts:

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Die Xylmahr
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Flußwalde und das Wesen aus der Erde.
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Halloween

Leipziger Buchmesse und Buch Berlin 2019

Auch meine beiden liebsten Buchmessen habe ich mir nicht entgehen lassen. Die Leipziger Buchmesse im März ist seit meinen Teenager Jahren ein absolutes Must-Go. Damals mit Cosplay, zwischendurch in der Zeichnerallee vertreten, nun mit Büchern am Stand von Qindie bin ich immer wieder gern dabei und lasse mich zwischen den Buchmenschen treiben. Dieses Jahr forderte die Messe viel Energie. Ich denke, das lag an der Pleite des KNV, die sich unterschwellig auf die Stimmung aller übertragen hat. Das unsichere Murmeln der Kleinverlage, die um ihre Existenz bangen, habe ich genauso vernommen, wie den Unmut von Autor*innen, die ihre Tantiemen nicht ausgezahlt bekamen. Schön war es dennoch durch die Messe zu schlendern, bekannte Gesichter wiederzusehen und bei herrlichem Wetter die untergehende Sonne durch die Glashalle zu bewundern:

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Die Buch Berlin hat dieses Jahr ein neues Standkonzept vorgelegt und sich viel Kritik anhören müssen. Die Hallen sollten bunt durchmischt sein und ich finde persönlich, das hat gut funktioniert. Ein paar kleinere Desaster im Vorfeld (Fehldrucke und fehlender Tisch) stellten meine Freundin Stella Delaney und mich vor ungeahnte Herausforderungen, über die wir am Telefon letztlich jedoch nur noch heftig lachen konnten. Für mich war es allen Widerständen zum Trotz eine großartige Messe an der Seite meiner besten Freundin, mit spaßig-düsteren Standnachbarn (Dandyisdead, Nornennetz) und spannenden Gesprächen. Danke an alle, die dabei waren und mich unterstützt haben:

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Und nun liebe Buchmenschen wünsche ich euch einen erfolgreichen Start ins Jahr 2020, es verspricht rund zu werden und herzlich zu sein. Rockt für mich jede Minute und lasst euch auch dieses Mal nicht unterkriegen.

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Copyright Fotos Mika M. Krüger, Titelbild und Fotos zur Buch Berlin Baki Kilinc.

Aktuelles, Gedanken-Mix

Messebericht Buchberlin: Ein Resümee

Es ist fast zwei Wochen her, seit ich aufbrach, um mit meiner Autorenkollegin Sabine Schulter als Ausstellerin auf der Buchberlin zu sein. Meine erste Messe, meine erste Chance, direkt mit Lesern zu sprechen. Eigentlich wollte ich schon früher davon berichten, aber letzte Woche war ich noch so von den Eindrücken geplättet, dass ich erstmal eine Pause brauchte, um mich zu sortieren. Inzwischen ist das Chaos wieder sortiert und alles läuft in halbwegs geregelten Bahnen. Hier also mein Bericht zur Buchberlin.


Vor der Messe: Organisieren bis zur letzten Minute

Buchmessen sind für mich immer großartig. Auch als Besucherin, tümmle ich mich gern zwischen den Lesebegeisterten und lasse mich von der Stimmung mitreißen. Dieses Mal hatte ich jedoch meinen eigenen Stand und das war neu. Meine einzige Messeerfahrung hinter den Kulissen war 2011, als ich das Deutschlandfest in Japan zu kleinen Teilen mitorganisieren durfte. Damals lag die die Verantwortung auf den Schultern von jemand anderem, dieses Mal bei mir ganz allein. Dementsprechend war ich, wie ihr meinem letzten Beitrag über die Buchberlin entnehmen konntet, reichlich nervös. Mein Patentrezept gegen die Nervosität: Einfach bis zum letzten Tag vor der Messe so viel zu tun haben, dass man vergisst, was vor einem liegt. Ob der Aufbau eines Probestands, das Erstellen einer Inventarliste und Preisliste oder das Zusammenpacken der Kisten, beinahe bis kurz vor der Abfahrt habe ich noch Dinge organisiert und mich gut abgelenkt. Das hat geholfen, meine Aufregung zu kontrollieren.

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So sah unser Stand aus. Wir hatten auch ganz liebe Standnachbarn. Den Arunya Verlag.

Aufbau – Start in den ersten Messetag

Nachdem Sabine, ihr Mann Tobi und ich uns in ein mit Kisten bis oben hin vollgepacktes Auto gequetscht hatten, halbwegs glimpflich den Weg zum Estrel fanden und dort alles lagerten, waren wir alle ein wenig erleichtert. Allerdings startete der erste Messetag mit Chaos. Die Ringbahn in Berlin war gesperrt, was zur Folge hatte, dass ich länger zur Messe brauchte, als geplant. Acht Uhr wollte ich da sein, etwa zwanzig Minuten später kam ich an. Völlig aus der Puste, weil ich trottelig wie ich bin, viel zu früh aus dem Bus gestiegen bin und irgendwo in der Mitte der Sonnenallee rauskam. Ups. Kann schon mal passieren. Das bedeutete: Im Sprint mit Rucksack bepackt die Straße hinunterhasten, um noch halbwegs pünktlich zu kommen. 2 Kilometer habe ich im Schnellschritt geschafft. Fragt mich nicht, wie das ging. Jedenfalls konnte ich noch tolle Berliner Sightseeingspots besichtigen: Döner Laden 1, Döner Laden 2, Döner Laden 3 und nicht zu vergessen der schöne Döner Laden 4. Alle gut besucht.

Am Estrel haben wir dann recht zügig alles aufbauen können. Erst Tischdecke, dann die Buchständer, dann die Bücher und irgendwie alles unter dem Tisch verstauen, wo es niemand sieht. Etwa 9:30 waren wir mit dem Aufbau fertig und mir ist persönlich ein Stein vom Herzen gefallen.

Um zehn öffneten dann die Tore und ich bekam moralische und seelische Unterstützung von meiner guten Fee: Stella Delaney. Sie war extra aus der Schweiz angereist und hat uns sehr geholfen. An sich war sie nur als Besucherin eingetragen, aber im Laufe des Tages stand sie mehrfach hinter dem Stand und hat Sabines und meine Bücher angepriesen. Besser als ich es je gekonnt hätte. Sie ist einfach gut darin!

Zum Auftakt der Buchberlin gab es auch einen Flashmop mit musikalischer Untermalung. Von diesem wussten wir Aussteller bereits, aber leider … haben wir davon nicht viel gemerkt. Wir waren ja doch relativ außen am Zipfel und bekamen nichts davon mit. Schade eigentlich.

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Ähm ja, das bin dann wohl ich …

Ablauf der Messetage

In den ersten Stunden war ich unglaublich nervös. Meine Hände haben gezittert und ich brachte nur irgendwelche merkwürdig gestammelten Sätze heraus, die sonst nicht meine Art sind. Die ersten Leser an unserem Stand haben mich deshalb wohl leider auch etwas merkwürdig erlebt. Entschuldigt! So bin ich in Wirklichkeit gar nicht. Ich-rede-Sätze-ganz! So-echt-so! Irgendwann hatte sich das jedoch gelegt und dann hatte ich wirklich Spaß daran, die Leute anzusprechen und mit ihnen zu quatschen. Denn das ist es ja eigentlich, was man macht. Quatschen. Ich würde gern sagen, ich kann mich daran erinnern, was ich gemacht habe und wie. Aber nein, kann ich nicht. Ich weiß, ich war zwischendurch Kaffee trinken, habe Kartoffelecken spendiert bekommen und etliche Leseproben herausgegeben und Bücher verkauft. Was ich jedoch noch sehr deutlich weiß, dass am Samstag und auch am Sonntag viele Menschen da waren, die ich hier über das Blog, Neobooks, Facebook und andere Portale kennengelernt habe. Das war für mich mein persönliches Highlight, denn damit habe ich nicht gerechnet. Man sitzt ja immer nur vor dem Bildschirm und tippt unbemerkt von allen anderen vor sich hin und dann … stehen die Leute plötzlich vor einem. Das ist wirklich grandios! Ein Dank an euch alle, die ihr da gewesen seid. Das hat mein erstes Messewochenende zu etwas ganz Besonderem gemacht.

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Das Estrel. Ein riesiger Komplex mit zwei großen Hallen.


Die Messeziele

Vor der Messe hatte ich ja einige Ziele formuliert, die ich gern umsetzen wollte. Diese werde ich jetzt nochmal durchgehen und gleichzeitig aufzeigen, was gut gelaufen ist und wo eventuell noch Verbesserungsbedarf besteht.

  1. Neue Leser erreichen: In den Tagen nach der Messe sind einige Menschlein auf Facebook oder hier auf dem Blog dazugestoßen und ich konnte auch einige Verkäufe auf den Onlineportalen verzeichnen. Ich denke also, zumindest ein paar neue Leser konnte ich erreichen. Ein wenig mehr nachträgliche Resonanz hätte ich mir dennoch gewünscht. Wär gut, wenn man wissen könnte, weshalb es nicht noch mehr gewesen sind.
  2. Zwischen den anderen auffallen: Unser Rollup hat viel gebracht. Es war von weitem gut zu sehen und hat Einige angezogen. Allerdings gab es, und das muss ich ehrlich sagen, einige Stände, die mehr in die Aufmachung investiert haben als wir und dadurch eher einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Nächstes Mal anders.
  3. Einen professionellen und interessanten Eindruck machen: Sabine und ich wurden mehrfach mit einem Verlag verwechselt. Vermutlich, weil die meisten Self-Publisher sich sonst nur einen kleinen Einzeltisch leisten konnten und wir im Team auftraten sowie insgesamt 10 Bücher präsentieren konnten. Das ist für zwei einzelne Personen schon eine ganze Menge.
  4. Die Standgebühr über Verkäufe erwirtschaften: Da gibt es nichts zu sagen. Check. Hat gut funktioniert.

 


Was werde ich anders machen?

Die Aufmachung des Stands. Ich habe gemerkt, dass unser Stand dadurch positiv aufgefallen ist, weil wir eine sortierte und übersichtliche Auswahl auf unserem Tisch zu liegen hatten, aber etwas mehr Kreativität muss nächstes Mal noch in die Gestaltung fließen. Ich bin ja jemand, der es mag, sich in jeder Hinsicht auszutoben, nur war ich noch etwas unsicher, was überhaupt geht. Fakt ist: Weniger Bücher bestellen, mehr in den Gesamteindruck investieren. Ich stelle mir vor, Totenläufer Kekse anzubieten oder „Useful“-Beutel im Stil meines Buches zu organisieren. Eventuell auch einzelne Tassen, die handbemalt sind, anbieten. Wenn ich das machen will, muss ich jedoch deutlich früher mit der Planung anfangen. Anfang Juni ist eine gute Zeit.

Für viele Leser waren meine Leseproben zudem schwer als solche zu erkennen. Das muss definitiv klar zu erkennen sein.

Preisschilder sind nicht notwendig, habe ich gemerkt. Das klärt sich meist im Gespräch und Bücher haben ja eh immer einen ähnlichen Preis.

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Fazit

Es sind nur zwei kleine Schritte hinter den Tisch, die den Unterschied zwischen Aussteller und Besucher machen, aber es gehört einiges an Mut dazu, sein eigenes Werk anzupreisen. Die Messe hat mir gezeigt, dass das gar nicht so schwer ist, wenn man erstmal damit anfängt, die Leute anlächelt und sie in ein nettes Gespräch verwickelt. Wir sind ja alle Lesebegeisterte, die sich verstehen. Nächstes Jahr hat mich die Buchberlin definitiv wieder. Von der Organisation her kann ich mich nicht beschweren. Ich wusste sofort wohin, war immer informiert und hatte den Eindruck, es wurde viel für uns Aussteller getan.


Solltet ihr noch mehr Beiträge über die BuchBerlin lesen wollen. Hier eine Auswahl:

Sarah Ricchizzi

Messebericht

Evolution Buch Berlin

Hinter den Kulissen


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Seit vier Tagen gibt es Totenläufer jetzt auch als Taschenbuch. Wer Lust auf düstere Action mit Soldaten, Rebellen und einer sicherheitsfanatischen Regierung hat, einfach mal vorbeischauen.
Aktuelles, Gedanken-Mix

Blogvorstellung: Buchstabenträumerei

Ich weiß, der Blogbeitrag zur Buchberlin steht noch aus und ich verspreche, am Sonntag werdet ihr meine Erlebnisse in einem kurzen Beitrag zusammengefasst hier finden. Heute möchte ich euch jedoch jemanden vorstellen. Es geht um Anna, eine Leserin, eine Träumerin und eine liebevolle Mutter, auf die mich eine Freundin aufmerksam gemacht hat. Anna schreibt fleißig an einem Literaturblog und hat vor zwei Wochen mein Büchlein „Totenläufer“ und mich auf ihrem Blog vorgestellt. Und weil ich finde, dass sie noch viel mehr Aufmerksamkeit verdient, habe ich den Spieß mal umgedreht und Anna ein paar Fragen gestellt. Ihr dürft gespannt sein.

annaWer bist du und worüber bloggst du überhaupt?
Ich bin eine waschechte Träumerin. Wird die Welt zu viel oder zu anstrengend, sind Bücher, Filme, Serien, Musik und Tagträume die ideale Medizin. Auch sonst ist ein Buch die beste Begleitung in jeder Lebenslage. In meinem Blog dreht sich daher alles rund um Bücher. Außerdem bin ich: Redakteurin, Optimistin und Mama.
Welches Buch hat dich zu einem Lesewurm gemacht und warum?
Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten Ausflug in die Schulbücherei. Ich war elf Jahre alt, neu in der Schule und wusste nicht so recht wohin mit mir. Also stöberte ich bei den Büchern und lieh mir „Alanna: Die schwarze Stadt“ von Tamora Pierce aus und legte damit den Grundstein für mein Dasein als Lesewurm. Diese Jugendbuchreihe hat mich enorm gefesselt, da sie von Magie, Liebe, Krieg und Freundschaft handelt, und gleichzeitig in eine fremde Welt entführt. Die Bände stehen bis heute in meinem Bücherregal.
Wenn du einem Autor sagen könntest, was er für dich schreiben soll, was wäre das?
Ein Buch über einen jungen Erwachsenen, der zu viel an sich selbst zweifelt, und das Leben aus lauter Angst zu versagen an sich vorbeiziehen lässt. Natürlich katapultiert ihn etwas aus dieser Misere, sei es ein anderer Mensch, oder eine Ausnahmesituation, oder auch etwas Magisches. Die Geschichte könnte sich in viele Richtungen entwickeln, von einer Liebesgeschichte bis hin zur Dystopie. Aber eine tiefgreifende, psychologische Charakterstudie würde ich mir wünschen. Und bitte kein kitschiges Happy End.
Gibt es ein Buch, das du gern nochmal ganz von vorn lesen würdest, weil es dich so gefesselt hat?
Ganz aktuell würde ich gerne „Splitterherz“ von Bettina Belitz nochmal von vorn lesen, da ich beim ersten Lesen Startschwierigkeiten hatte, es am Ende aber absolut faszinierend fand. Mit diesem veränderten Eindruck ist es sicherlich ein ganz anderes Erlebnis.
Wenn dich ein Autor anschreibt und um eine Rezension bittet, was sollten er oder sie beachten?
Grundsätzlich freue ich mich immer sehr über Anfragen. Es wäre aber schön, wenn der Autor sich vorab darüber informiert, was ich gerne lese. Thriller oder Krimis gehören zum Beispiel nicht dazu. Ganz wichtig ist außerdem, dass ich keinen Reader besitze und folglich auch keine eBooks lesen kann.
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Bücher lassen uns träumen.

Ihr seht, kein kitschiges Happy End, ein wenig Psychologie und anspruchsvolle Töne mit einem Hauch Magie, das sollten Autoren schreiben, um Anna glücklich zu machen. Noch dazu ist sie eine Leserin, die in den Papierseiten eines Taschenbuchs versinkt. Mit einem Ebook kann man sie also nicht ködern. Schaut doch einfach mal auf ihrem Blog vorbei und stöbert in den Rezensionen, die sie mit viel Sorgfalt und Mühe verfasst.

Ihr findet Anna auch hier:

Bildquellen:
Buchstabenträumerei
Pixabay
Gedanken-Mix, Schreibarbeit

Dystopie: Gesellschaftskritik und Ich-Erzähler

Ein Testleser schrieb an den Rand meines Manuskriptes folgende Frage: „Ist es genretypisch, wenn deine Geschichte aus der Sicht von mehreren Personen geschrieben ist?“ Eine Frage, die mich ins Grübeln brachte. Ganz automatisch ging ich alle dystopischen Romane durch, die ich in den letzten Jahren gelesen habe und fragte mich, wie viele Blickwinkel verschiedener Personen dort zu finden sind. Das Ergebnis: die meisten zeigen nur einen. Deshalb habe ich mir dazu Gedanken gemacht, wieso dem so ist und diese hier für euch festgehalten.


Was ist eine Dystopie?

Fangen wir erst einmal klein an und wagen uns an eine Definition des Genres Dystopie. Wie bei jedem Genre, ob in der Literatur, der Kunst oder dem Film sind die Begriffsgrenzen nicht scharf und gerade, sondern eher ausgefranst und krumm. Wer ein Genre so halbwegs begreifen möchte, müsste eine Doktorarbeit schreiben und Buch um Buch um Buch durcharbeiten. Das ist für einen Blogbeitrag natürlich nicht möglich, daher beschränke ich mich auf die wesentlichen Fakten und würde mich freuen, wenn im Anschluss eine Diskussion entsteht.

Die Dystopie ist eine Unterkategorie von Science-Fiction. Es geht in Geschichten dieses Genres um Zukunftsvisionen, die ein negatives Gesellschaftssystem zeigen. Kurz, unsere Gegenwart entwickelt sich zu etwas Schlechtem. Meist erwachsen diese Systeme aus einer utopischen und gut gemeinten Grundidee. Zum Beispiel: „Alle sollten gleich sein“, „Weniger Krieg durch das Ausschalten von Gedanken“, „Weniger Kriminalität durch Kontrolle“. Als Autor stellt man sich die Frage, was ist, wenn sich die Dinge in der heutigen Gesellschaft so entwickeln, dass daraus morgen Y entsteht. Künstliche Intelligenz, das Aufkommen des Internets oder aber auch die Ausbeutung der Natur können Themen sein, die diese Gedankenspiele hervorbringen. Es entsteht also eine Welt, die auf unseren technologischen Errungenschaften und Gesellschaftsstrukturen basiert und diese Welt fungiert als Warnung. So könnte es aussehen, wenn wir nicht aufpassen. Die Kritik am heutigen System ist damit ein wichtiger Aspekt der Dystopie. Im Gegensatz zu Science-Fiction geht es zudem nicht vorrangig um die Wissenschaft, sondern um das soziale Zusammenleben und den Umgang mit den Gesetzen in dem System. Deshalb sind Dystopien meist düster und zeigen eine Welt, die schockiert und manchmal abgestumpft ist.

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Dieses Foto könnte glatt aus einem dystopischen Film stammen. Tatsächlich zeigt es einen Teil von Shibuya in Japan. Japanische oder ostasiatische Städte stehen oft Modell für Dystopien.

Exkurs: Der Ich-Erzähler und das Jugendbuch

Schaut man sich die Veröffentlichungen im Bereich Dystopie der letzten Jahre an, fällt besonders auf, dass es einen Boom im Bereich Jugendbuch gibt und zudem häufig aus der Perspektive eines Ich-Erzählers* berichtet wird. Die Protagonisten sind oft im Alter zwischen 15-20 Jahre und starten über kurz oder lang eine Revolution gegen das System. Durch das sehr persönliche „Ich“ wird die Distanz zu dem Erzählten aufgehoben und es entsteht eine unmittelbare und oft emotional tiefe Erfahrung. Gefühle werden dadurch direkt gezeigt. Diese Perspektive zu schreiben ist jedoch nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Einige Autoren beschreiben, dass es ihnen besonders leicht fällt, im Ich-Erzähler zu schreiben (geht mir tatsächlich genauso). Das liegt meiner Ansicht nach in der Natur der Sache. Da wir im realen Leben auch in einem Ich denken, können wir diese Perspektive recht schnell einnehmen und die erzählten Empfindungen leichter erleben. „Ich schreibe einen Einkaufszettel.“, „Ich lese einen Blogeintrag.“, „Ich habe mich gestritten.“ Die Erfahrungen sind unmittelbarer und nicht so beobachtend wie im Er/Sie-Erzähler. Es ist demnach nicht verwunderlich, warum sich der Ich-Erzähler bei Autoren (und Lesern natürlich!) großer Beliebtheit erfreut. Vielen geht er ganz leicht von der Hand. Doch nur, weil es relativ schnell geht, die Worte zu Papier zu bringen, heißt das nicht, dass diese am Ende auch passend sind. Häufig vermischt sich nämlich unterbewusst die Autorenidentität mit der Erzähleridentität. Das ist jetzt nicht verboten und auch niemals vollständig zu verhindern, aber es kann dazu führen, dass die Persönlichkeit des Erzählers blass oder chaotisch wird.* Es ist schwer, als Autor genügend Distanz zum Ich-Erzähler zu bekommen, um diesen authentisch und logisch stringent zu schreiben. So natürlich auch in einem dystopischen Roman.
Im Jugendroman ist der Ich-Erzähler weit verbreitet. Das liegt, platt gesagt, einfach daran, dass junge Menschen sich mit einem Ich besser identifizieren können als mit einem übergeordneten Er/Sie. Ihre Welt dreht sich häufig um ihre Probleme, ihre Sorgen und ihre Ängste und deshalb lesen sie diese Texte lieber. Allerdings hat diese Perspektive eine ganz besondere Tücke. Ist einem der Erzähler unsympathisch, hat das Buch von vornherein verloren:

„Das kann ganz angenehm sein – vorausgesetzt, dass es sich beim Ich-Erzähler um einen sympathischen Zeitgenossen handelt. Aber man sollte nicht blind darauf vertrauen, denn auch düstere Ekelpakete haben mitunter die eine oder andere spannende Geschichte zu erzählen […]“ (Bücher Wiki)


Wieso ist der Ich-Erzähler für eine Dystopie so attraktiv?

Was ich oben geschrieben habe, wird für die meisten von euch keine Neuigkeit sein, aber ich hoffe, euch anschließend ein paar neue Denkanstöße geben zu können.

Welche Vorteile hat der Ich-Erzähler in einer Dystopie? Zum einen erklärt sich die ungewöhnliche Welt durch die Gedanken der Protagonistin von selbst, zum anderen bleibt offen, was die Umgebung plant. Welche Hürden auf dem Weg bis zum Ziel warten, bleibt dadurch offen und Handlungsverläufe können sich plötzlich, ohne ersichtlichen Grund ,ändern. Als Leser ist man dann genauso wenig informiert wie die Hauptperson und wird unerwartet von einer kritischen Situation in die andere hineingerissen. Noch dazu, ohne zu wissen, was genau diese Situation für Auswirkungen hat. Augenblicklich ist man involviert und fühlt mit den Protagonisten verbunden. Das erzeugt Spannung und macht neugierig auf mehr. Wir leiden mit, nehmen ungewöhnliche Fakten als gegeben hin und können uns recht schnell emotional auf die Illusion einlassen, die da erschaffen wird.

Aber gerade für die Dystopie finde ich diese Perspektive nicht immer ideal. Wieso? Was einerseits ein Vorteil sein kann, birgt auch Schwierigkeiten. Wer eine Geschichte nur aus einer Sicht erzählt, kann die Gedanken anderer Personen nicht einfließen lassen. Das ist keine neue Erkenntnis, ich weiß, aber sie ist im Bereich Dystopie nicht zu vernachlässigen. Eine Dystopie ist meist gesellschaftskritisch und eine Gesellschaft begreift man erst, wenn man die Sichtweise mehrerer Personen darin betrachtet. Ich denke, die Soziologen würden mir zustimmen, sie betrachten ja auch immer Gruppen und nicht Einzelpersonen. Aber gut, es geht jetzt natürlich nicht um eine wissenschaftliche Studie.

Wenn der Protagonist aus einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht stammt, erfahren wir die Gedanken dieser einen Person in dieser einen Schicht. Über andere Schichten oder Menschen erfahren wir nur etwas, wenn es durch Dialoge oder ähnliche Informationsquellen aufgedeckt wird. Zum Beispiel in Form von Propaganda. Der Ich-Erzähler berichtet sehr einseitig und konzentriert sich nur auf bestimmte Sachverhalte, die für ihn als Wahrheit gelten. Dadurch entsteht ein schwarz-weiß Muster. Andere Figuren in der Geschichte werden verteufelt oder in den Himmel gelobt. Je nachdem, ob die Hauptfigur mit diesen Menschen zurechtkommt oder nicht. Es fehlt eine objektive Meinung.

Hinzu kommt, dass es ungewöhnlich sein kann, wenn der Ich-Erzähler uns im Detail die Gesellschaft erklärt, in der er lebt. Genauso wie wir nicht hinterfragen, warum wir eher Brot essen als Reis, wird die Hauptfigur nicht hinterfragen, warum sie bestimmte Dinge tut oder lässt. Derlei Informationen werden oft nur eingebaut, um den Leser von der fremden Welt zu überzeugen, sind aber eigentlich nicht notwendig. Eine Erklärung muss der inneren Logik des Erzählers folgen, ansonsten wirkt sie einfach nicht authentisch.
Bei Tribute von Panem funktioniert die Ich-Perspektive deshalb so gut, weil Katniss in eine völlig neue und ungewohnte Situation stolpert, die sie sich selbst erklärt. Im Zentrum steht ihre Entwicklung, jedoch nicht die detaillierte Beschreibung der Gesellschaft an sich. Die Motive der Rebellen oder auch der Menschen im Kapitol bleiben deshalb bis zum Schluss schwammig. Ein Er/Sie-Erzähler ist im Gegensatz dazu häufig weniger wertend und kann mehr Facetten aufzeigen als der Ich-Erzähler.


Eine Zusammenfassung

Komme ich nun auf meine Ausgangsfrage zurück. Ist es genreuntypisch, mehrere Sichtweisen von Figuren in einer Dystopie darzustellen? Generell nein, aber es gibt derzeit eine Tendenz zum Ich-Erzähler und zum Jugendbuch. Diese beiden bedingen sich gegenseitig und geben dem gesellschaftskritischen Genre emotionale Nähe. Wer jedoch eine Dystopie schreiben möchte, die sich auf die Gesellschaft und die Kritik an ihr konzentriert, erzeugt mehr Tiefe, in dem er verschiedene Sichtweisen aufzeigt. Wie im realen Leben erkennt man die Schwierigkeit einer Sache erst, wenn man die Summe vieler Gedanken zusammenfügt. Und meist gibt es dabei kein einfaches Schwarz und Weiß.


Mich würde nun interessieren, wie ihr darüber denkt. Gibt es die Eine Erzählperspektive in der Dystopie oder ist es eigentlich immer eine Frage des: Was will ich und wie setze ich es um? Ich freue mich über eure Kommentare.


*Ich meine an dieser Stelle nicht den auktorialen Ich-Erzähler, der bspw. die Geschichte einer anderen Person nacherzählt.

Quellen und weiterführende Links

BücherWiki

Wortwuchs

Beitragsbild: Jullo A Gonzalez

Foto: Hiro Tjp