Schreibarbeit

Recherche: Dystopie und Bergsteigen

Recherche ist für die Arbeit an einem Manuskript  enorm wichtig. Wenngleich sich die Art der Recherche von Genre zu Genre deutlich unterscheidt. So ist es bei historischen Romanen zum Beispiel eher notwendig, zu hinterfragen, wie die Realität in der entsprechenden Zeitepoche aussah. Wohingegen es bei einem Lokalkrimi wichtig ist, reale Orte zu beschreiben und eine gegenwartsgetreue Darstellung umzusetzen. Eine Dystopie allerdings lebt von Gesellschaftskritik. Sie ist zentraler Bestandteil der Geschichte und zwischen den Zeilen omnipräsent. Deshalb ist ein umfassendes Verständnis unserer Gesellschaft mit ihrer systematischen Benachteiligung bestimmter Gruppen von essentieller Bedeutung. Als Autorin für dystopische Geschichten möchte ich heute ein wenig über die Recherche für mein aktuelles Romanprojekt berichten.

Welche Themen recherchiere ich für meine Dystopie?

In der Regel ist es so, dass ich ein Recherchethema nicht finden muss, sondern, dass es mich findet. Denn als Autorin gehe ich zuerst davon aus, dass ich genau genommen nichts weiß und jedes angesprochene Thema im Detail hinterfragen – es sezieren – muss. Das liegt daran, dass ich eine Illusion erzeugen möchte, die sich so echt wie möglich anfühlen soll. Damit sie sich jedoch echt anfühlen kann, muss ich mich mit den Themen genug beschäftigt haben, um sie nachfühlbar beschreiben zu können. Im besten Fall werde ich Spezialistin zu den Themen und im schlechtesten Fall schaffe ich es zumindest, so zu wirken, als sei ich Spezialistin. Das heißt, ich recherchiere viel und ausdauernd.

In meinem Fall geht es um Gefahren beim Bergsteigen. Diejenigen, die mich sehr gut kennen, gehe ich seit einem geschlagenen Jahr mit dem Thema auf den Geist. Meine Nachrichtenleiste im Handy zeigt mir Artikel dazu an, ich verfolgte die Todesmeldungen zum Gipfelsturm auf den Mount Everest und K2 – und das alles, weil ich drei Figuren habe, die ich möglichst sicher, aber auch mit den typischen Gefahren über einen Berg führen möchte. Im Winter mit Schnee. Es geht um einen kleinen Teil im Roman (Bezirk Null), aber ich möchte ihn so echt wie möglich schreiben, da ich Action liebe. Das Problem: Obwohl ich bereits viel gewandert bin, habe ich meine einzigen alpinen Erfahrungen in der Jugend gemacht. Auf einem gut erschlossenen Bergwanderweg in Österreich. Mir stellten sich also unzählige Fragen: Was braucht man zum Bergsteigen? Was ist das Gefährlichste beim Bergsteigen? Was sollten meine Figuren nicht tun, wenn sie überleben wollen?

Der Mount Everest als Extrembeispiel

Eine Freundin empfahl mir in diesem Zusammenhang das Buch von John Krakauer „In eisige Höhen“. In dem Buch geht es um eine Katastrophe, die sich 1984 ereignete als eine Gruppe von Bergsteigern auf dem Weg zum Giepfel von einem Sturm überrauscht worden sind. Der Mount Everest ist als Recherchebeispiel mit Sicherheit extrem, denn Probleme, die zum Beispiel durch zu starke Höhen auftreten, wie HARPE sind bei geringeren Höhen zu vernachlässigen. Es wird zum Beispiel auch kein Sauerstoff benötigt, der bei bestimmten Höhen lebenswichtig ist. Doch dieses Extrem hat mir geholfen, schneller einen Überblick von den realen Gefahren zu bekommen. Zumal das Interesse groß ist und man leicht an alle möglichen Information kommt. Das Social Media ist ab April voll mit Beiträgen von Menschen, die den Gipfel besteigen. Von Euphorie, Anerkennung und unaussprechlichen Katastrophen ist alles zu lesen. Vor meiner Recherche war mir nicht klar war, in welchem Ausmaß die Besteigung dieses heiligen Berges kommerzialisiert worden ist. Ihr findet unten dazu einige erschreckende Meldungen. 2020 standen die Menschen wortwörtlich in 8000 Metern Höhe beamtet mit Sauerstoff Schlange, um auf den Gipfel zu gelangen. Mir wurden auf unangenehme Weise die Augen geöffnet und für mein Projekt stellte sich heraus, dass es keine Gifpelstürmung geben kann, da diese unter den Bedingungen, die ich im Manuskript erdacht habe, völlig unrealistisch sind und meine Figuren ein anderes Ziel verfolgen.

Referenzgebirge suchen

Um die Örtlichkeiten in Bezirk Null noch realistischer beschreiben zu können, habe ich mir zudem einen Referenzort gesucht, durch den ich eine genauere Vorstellung von dem Gelände zu bekommen. Google Maps macht es möglich. In meinem Fall habe ich mir in Kanada die Pacific Rims herausgesucht und habe eine halbwegs realistische Route entworfen. Das heißt jedoch nicht, dass meine Figuren sich dann in Kanada bewegen. Im Gegenteil, wo sich das Gebirge befindet, bleibt unklar. Noch besser wäre es natürlich, eine bereits vorhandene Route zu nehmen und diese anzupassen, aber in meinem Fall gehe ich von einem nicht allzu häufig begangenem Gebiet aus und auch das passt zu den Pacific Rims.

(Karte einfügen)

Ergebnisse – kurz

  • das Wetter bestimmt den Auf- oder Abstieg und das Gelingen
  • man muss sich auf die Gruppe verlassen können (mindeste drei Personen)
  • anseilen ist bei schwierigen Stellen zwingend notwendig
  • Lawinen tauchen aus dem Nichts auf
  • den Gipfel erreichen zu wollen, ist ein Ziel, das eine besondere Motivation voraussetzt
  • bei Verletzungen müssen die Personen ggfs. mit Hubschrauber gerettet werden (in bestimmten Höhen ist auch gar keine Rettung mehr möglich – je nach Grad der Erschöpfung)
  • das Gepäck sollte so leicht wie möglich gehalten werden
  • immer auf die eigene körperliche Verfassung achten
  • eingelaufene Schuhe benutzen
  • auf alle Eventulitätenvorbereitet sein
  • Kälte mit Winden über längere Zeit sind sehr gefährlich – bestenfalls Erfahrung nötig
  • schwächere Personen unterstützten – nicht vorwegrennen
  • in großen Höhehn wird Schnee getaut, um sich mit Wasser zu versorgen (auf dem Mount Everest übernehmen das häufig Sherpa)

Fachbegriffe – Auszug

Für ein echtes Erlebnis ist es zudem unerlässlich, die Fachsprache zu kennen. Nützlich für das Bergsteigen sind in dem Zusammenhang bspw. folgende Wörter: Fixseil, Anseilen, Grat, Eispickel, Eisschuhe, Felsstufe, technisch herausfordernd/anspruchsvoll, First, Kumbhu-Eisburch, Gletscherspalten

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Beitragsbild: Mount Fuji – Mika M. Krüger

Weiterführende Links/Quellen:

https://www.statista.com/chart/1157/successful-mount-everest-ascents-per-year/

https://www.focus.de/panorama/welt/gibt-niemanden-der-dich-so-schnell-retten-kann-bergsteigerin-sicher-dass-sterbender-hassan-ohne-ueberlebenschance-war_id_201422140.html

Aktuelles, Gedanken-Mix

Schreibmonat November: Chaos und Wörterzählen

Der Titel dieses Beitrags klingt auf den ersten Blick nach Kritik. Vorneweg, ich bin ein Schreibmonat-Befürworter und mir geht es in erster Linie darum, zu beschreiben, wie es mir im November ergangen, und dass, in dem ich pro und contra abwäge.  Womöglich habt ihr euch gewundert, warum ihr diesen Monat auf meinem Blog keine Beiträge wie im letzten Jahr gefunden habt. Das lag nicht etwa daran, dass ich nichts zu berichtetn hatte, sondern daran, dass zu viel zu tun war und bei mir derzeit alles im Umbruch ist.


Dieses Jahr war anders. So viel steht fest. Angesichts meines ersten Schreibmonats war ich letztes Jahr ungewöhnlich euphorisch und habe hier auf dem Blog viel über meine Vorbereitungen berichtet. Diese Euphorie hat sich leider in diesem Jahr von mir verabschiedet, einfach, weil meine Zeit zu knapp war. Ich konnte mir nicht viele ernsthafte Gedanken über mein Vorgehen machen oder gar überlegen, was genau ich eigentlich schreiben will. Wir ihr wisst, war mein Plan, dass ich an zwei Projekten gleichzeitig zu arbeiten, um eine gewisse Qualität zu gewährleisten. Das hatte ich aus dem Vorjahr gelernt. Es sollte keine Hau-Ruck-Aktion werden. Im Endeffekt ist es dann genau das geworden und ich musste „Licht in Makkuro“ vorerst verwerfen. Was mich sehr bedrückt, da viele von euch Interesse an diesem Projekt haben und dafür gestimmt haben. Ich garantiere euch, das Projekt ist nicht vergessen, aber Silver Coin 203 – Band II war mir erstmal wichtiger. Gerade, weil ich schon seit über einem Jahr in dem Universum stecke und es mich einfach nicht loslässt.

Was tat ich also am 01. November, als der Startschuss fiel? Ich habe irgendwie, ohne Sinn und Verstand losgeschrieben. Etwas, was ich sonst vermeide. Der erste Satz stand zwar fest, aber alles danach wurde während des Schreibens entwickelt. Ihr könnt euch vorstellen, dass da ein gewaltiges Chaos entstand, das Tag für Tag mehr Gestalt annahm, aber nichts mit dem gemein hatte, was ich eigentlich wollte: Ein gut durchstrukturiertes Werk, das sofort Hand und Fuß hat. Das war der große Nacheil dieses Schreibmonats und vielleicht habe ich deshalb bis zum Ende hintergehinkt und nur einzelne Szenen geschrieben, anstatt einen zusammenhängenden, in sich schlüssigen Text zu produzieren. Vor der Überarbeitung graut es mich jetzt schon (startet im Januar)! Mag das jemand für mich übernehmen? 😀

arbeitstisch
Mit der Zeit sammelt sich so einige Zettelei an, wenn man an einem Projekt arbeitet. Oben links seht ihr die Figurenblasen. So viele Charaktere sind schon aufgetaucht und es werden nur noch mehr.

Aber natürlich gibt es auch einen großen Vorteil an dieser Art des Schreibens, denn es bedeutet, vollständig alle Ängste abzustreifen und das hat mir gut getan. Denn zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich vor einem Romanprojekt Respekt. Band II von Silver Coin 203 hat zwei verschiedene Handlungsstränge, die an zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten spielen und dennoch miteinander zu tun haben. Es gibt fünf Erzählfiguren und einige Rückblenden in die Vergangenheit meiner Protagonisten. Das alles logisch zu verknüpfen ist … nun ja, kompliziert. XD Daher war es wie ein Befreiungsschlag, als ich einfach irgendwie angefangen habe und den bösartigen Gedanken in meinem Kopf („Das wird nie was“) ganz weit nach hinten geschoben habe. Meine Scheu vor dem ersten Kapitel habe ich endlich überwunden und mir wurde im Verlauf des Monats immer klarer, wie ich alle Elemente zusammenfügen und gleichzeitig das Feedback meiner Leser aus Band I einbauen kann.

Das Wörterzählen war zudem eine Sache, die ich aus dem Vorjahr nicht kannte. Normalerweise schreibe ich einfach, ohne an Wörter zu denken. Im Vorjahr war das zumindest der Fall. Dieses Mal ertappte ich mich mehrfach dabei, wie ich auf meine Wörter schielte, um zu prüfen, ob ich noch im Rahmen bin. Ganz persönlich halte ich davon nicht allzu viel, denn es geht ja auch um die Qualität des Geschriebenen. Es kann einfach kein guter Text entstehen, wenn man innerhalb von einer Stunde 1000-2000 Wörter zu Papier bringt. Jeder, der etwas anderes behauptet, der, meine Meinung, redet sich da was ein. Das hat mich schon etwas unter Druck gesetzt und ich musste mich teils zwingen, mehr zu schreiben. Ein Zustand, den ich so auch noch nicht erlebt habe.
Aber vermutlich war genau das gut, denn in den letzten Monaten war ich so damit beschäftigt, meinen Text rund zu machen, dass ich kaum mehr richtig denken konnte. In meinem Kopf hatte sich ein Knoten gebildet, der sich einfach nicht mehr lösen ließ. Mir ist deshalb auf dem Weg verloren gegangen, weshalb ich überhaupt begonnen habe Silver Coin zu schreiben. Im Schreibmonat fiel es mir wieder ein. Der Satz: „I never meant to hurt no one“ war der Anlass und ich stellte mir die simple Frage danach, was genau dazu führt, dass jemanden sagt, er habe nie jemandem schaden wollen, aber es letztlich doch getan. Ein simpler Gedanke, aus dem dann die Geschichte von Neel, Rina, Tom und Amanda wurde. Band I ist da wohl nur die Einführung, während Band II ganz im Zeichen der Vergangenheit stehen wird. So viel soll schon mal gesagt sein.


Fazit nach diesem NaNo

Für mich steht fest, es wird keine Veröffentlichung mehr im NaNoWriMo geben. Auch wenn ich damit einigen Lesern das Herz breche, Silver Coin 203 Band II wird frühestens im Januar 2018 erscheinen. Ich weiß, das fordert viel Geduld von euch, aber es ist die einzig logische Entscheidung, wenn ich euch am Ende ein gutes Buch mit einer soliden Geschichte bieten möchte. Quality first. Das ist für mich am wichtigsten, auch wenn das bedeutet, vielleicht vergessen zu werden. Vielleicht, vielleicht schaffe ich es ja, ein kurzes Projekt zwischenzuschieben, damit ihr nicht allzu lange auf etwas Neues warten müsst.


Mehr über die Welt von Silver Coin (Red-Mon-Stadt) erfahrt ihr auf meiner Facebookseite, wo ich jeden Mittwoch und Samstag um 18 Uhr einen Red-Mon-Stadt-Talk eingeführt habe und in satirischer Art meinen eigenen Roman und die Figuren darin auf die Schippe nehme.

In dem Sinne wünsche ich euch noch einen besinnlichen 3. Advent!

adventkerze