Silver Coin 203

Wie ein Roman entsteht III

… Statusupdate #3: Hurt No One …

Ein Roman wird nicht einfach aus dem Hut gezaubert. Er ist die Summe harter Arbeit, die zu großen Teilen aus Nachdenken, Überarbeiten und Schreiben besteht. Heute teile ich mit euch den dritten Teil meiner Reihe ‚Wie ein Roman ensteht‘, in der ich euch im Detail zeige, was alles passiert, bevor ein Buch veröffentlicht werden kann. Dies mache ich natürlich nicht langweilig, indem ich euch mit Faktenwissen überhäufe, sondern indem ich euch anhand meines Projektes Hurt No One zeige, wie ich beim Schreiben vorgehe. Viel Spaß also beim Lesen.


Ein kurzer Einstieg

Der ein oder andere von euch weiß, dass die Rohfassung meines Projekts bereits steht. Im Februar konnte ich das wohltuende „Ende“ unter meinen Text setzen, doch genau da fängt die Arbeit erst an. Das Stichwort ist ‚Überarbeitung‘ und um die geht es heute im Besonderen. Nur zur Erinnerung: Das Buch ist eine Dystopie für Erwachsene, enthält viele Aktion- und Thrillmomente, ist gleichzeitig aber auch etwas psychologisch. Geheimniskrämereien sind an der Tagesordnung und es ist nie wirklich klar, wer nun wirklich gut oder böse ist.

Aber bleiben wir mal beim Thema. Wenn ich es hochrechnet, werkele ich seit sechs Monaten an meinem Büchlein und das Ende ist noch weit entfernt. Für euch der Stand der Dinge:

  • Kapitel 1: Check. Nächster Schritt ist hier die Testleserunde ab Juni.
  • Kapitel 2: Ist mehrfach überarbeitet. Das letzte Unterkapitel ist jedoch noch offen.
  • Kapitel 3: Hat noch einige Schwächen, ist jedoch strukturell gewachsen und wartet auf zwei weitere Überarbeitungsrunden, die ab Anfang Mai laufen.
  • Kapitel 4: Ist im Stadium der ersten vollständigen Überarbeitung.
  • Kapitel 5-12: Noch offen.

Ihr seht, etwa ein Viertel habe ich geschafft, das ist ganz ordentlich, aber weniger als geplant. Und nun höre ich euch schon sagen, wieso dauert das denn so lange (oder bin ich es vielleicht selbst, die mir das vorwirft?). Kann ja nicht so schwer sein, bei der Überarbeitung ein paar Rechtschreibfehler zu löschen und fehlende Wörter zu ergänzen. Leider ist es damit lange nicht getan …


Das elende Überarbeiten …

Die Überarbeitung: jeder spricht davon, jeder weiß in etwa, was sich dahinter verbirgt, doch für mich ist es der blanke Horror. Ja, wirklich, das ist keine Übertreibung. Überarbeiten heißt: Lesen, löschen, lesen, tippen, lesen, löschen in einem ewigen Kreislauf. Währenddessen muss man sich über eine unendliche Anzahl von Punkten Gedanken machen: Eindruck der Figuren, Aufbau der Szene, Logik der Sätze, Rechtschreibung, Bedeutung der Szenen für den Gesamtzusammenhang, Stil, Ton, Grammatik. Für jeden einzelnen Punkt gibt es Regeln und jede muss geprüft werden, bis man zu einem Punkt kommt, an dem man schier verzweifelt.

„Interessiert das jemanden?“, schreit der innere Kritiker bösartig: „Wozu machst du dir die ganze Mühe, bist du dumm oder was?“ Zum Glück meldet sich aus dem Hintergrund dann meist ein zartes Stimmchen und flüstert: „Aber wenn du das so lässt, dann kann das keiner lesen.“ Und diese Stimme hat recht. Denn ein Text in Rohform ist schlichtweg nicht leserlich. Überarbeiten ist eine Mammutaufgabe, die ich gern jemand anderem überlassen würde, aber was muss, das muss. Während ich beispielsweise für 30 Normseiten etwa zwei bis drei Tage reine Schreibzeit brauche, kann eine Überarbeitung schon mal das vierfache an Zeit in Anspruch nehmen. Hier mal ein konkretes Beispiel  aus meinem Problemkapitel Drei:

„Es konnte ihn das Leben kosten, den Köder zu spielen, doch jemand anderem hätte er diesen Job nicht überlassen. Wenn er vorsichtig war, seinen Gegner nicht unterschätzte und sich dieses Mal an den Plan hielt, standen seine Chancen jedoch nicht schlecht. Er verbarg sich in dem unfertigen Rohbau eines Hochhauses. Noch war es nur ein skeletthafter Bau aus Beton. Die Fenster waren glaslos und durch die Räume jagte der Wind. Um das Haus herum waren mehr als zwanzig Rebellen postiert, die im äußersten Notfall eingreifen konnten. Nach den Rückschlägen der letzten Wochen war das einer der wenigen Hoffnungsschimmer und niemand wollte den Erfolg aufs Spiel setzen.“ (Nach der ersten Überarbeitung)

„Der Plan war in Toms Augen nicht mehr als ein unstabiles Gerüst. Er wackelte an allen Ecken und Enden, eine heftige Windböe konnte ihn jederzeit zu Fall bringen. Am liebsten hätte er den Rückzug befohlen, doch der Lorca-Alarm war ausgelöst und der Totenläufer auf dem Weg zum Rohbau. Das Einzige, was er jetzt noch tun konnte, war, alles daran zu setzen, dass sie trotzdem die Oberhand behielten. In seinem Kopf ging er deshalb Szenarien durch, die vom eigentlichen Vorhaben abwichen. Möglich war, dass er den Totenläufer nicht erkannte, dass die Stadtverwaltung noch eine weitere Einheit als Nachhut schickte, dass die Einheit 203 nicht etwa vom Stadtzentrum her kam, sondern vom Meer. Variablen, auf die er kaum Einfluss hatte.“ (Nach der dritten Überarbeitung)

Fällt euch etwas auf? Ja richtig, der Text ist vollständig anders, obwohl er die gleiche Szene einleitet: einen Häuserkampf. Warum habe ich beinahe alles verworfen? Das hat mehrere Gründe: 1) Es war unlogisch, dass meine Figur in diesem Moment als Köder fungiert (out of character), 2) die Position der Rebellen wird im späteren Verlauf durch einen Perspektivwechsel geklärt, 3) die Beschreibung des Rohbaus ist für den Beginn der Szene nicht wichtig, sie folgt später.

Was ich damit sagen will: Manche Kapitel müssen völlig neu konzipiert und durchdacht werden, was unheimlich viel Zeit in Anspruch nimmt. Zumindest bei mir ist die erste Version noch sehr naiv und unrealistisch geschrieben. Der Text hat zu sehr meine eigene Stimme, die sich erst nach viel Bedenkzeit eliminieren lässt. Damit ich bei solch einer aufwendigen Überarbeitung nicht den Überblick verliere, erstelle ich Zeichnungen, die das Geschehen genau skizzieren. So wie diese:

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Es sieht ziemlich gekritzelt aus, aber ihr seht die zwei Parteien, die sich beim Häuserkampf gegenüberstehen und ein paar Aufrisse, um den Standort der Personen zu klären.

Was sonst noch so anfällt: Das Cover und Band zwei.

Neben dem Schreibprozess gibt es einige Überlegungen, die ich als Autorin nicht außer Acht lassen darf. Ein Punkt ist das Cover. In der letzten Zeit ist mir klar geworden, dass ich dieses unbedingt selbst gestalten will und nur dann auf einen Designer zurückreife, wenn ich an die Grenzen meiner Möglichkeiten stoße. Eine Inspiration habe ich durch das Titelbild des Buches ‚Wenn du mich tötest‘ erhalten. Mir gefällt der verschwommene Stil sehr gut:

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Zudem ist Hurt No One ein Mehrteiler und nichts ist schlimmer als ein Buch mit Fortsetzung, die nicht notwendig ist. Aus diesem Grund bastele ich inzwischen an den ersten Seiten von Band zwei und konzipiere den Plot. Richtig lege ich jedoch erst los, wenn ich einen Haken hinter die Überarbeitung von Band eins setzen kann.


Zum Abschluss ein Wort aus Red-Mon-Stadt

Die letzten Male habe ich euch einen Auszug aus dem Glossar zu meiner Dystopie vorgestellt. Das werde ich für die Zukunft beibehalten. Heute stelle ich euch eine wichtige Figur vor, die in dem kurzen Textabschnitt oben erwähnt worden ist:

Der Totenläufer: Der Totenläufer ist ein SDF-Soldat, der im Namen der Stadtverwaltung Gefahrenquellen eliminiert. Er ist eine Person des öffentlichen Interesses. Er ist das Paradebeispiel absoluter Loyalität. In den Medien der Stadt ist er überall präsent, obwohl seine Identität geheim bleibt. Der Totenläufer reagiert auf Leserbriefe persönlich und setzt sich für die Bevölkerung ein, die sich immer mehr mit ihm identifiziert. Der Glaube an den Totenläufer und die Ideale, die er verkörpert, eint die gesamte Stadt.


Ich wünsche euch was

+Mika+

Wenn ihr Interesse an den ersten beiden Beiträgen zum Thema habt, klickt einfach hier:

Wie ein Roman entsteht 1

Wie ein Roman entsteht 2

11 Gedanken zu „Wie ein Roman entsteht III“

  1. Überarbeiten ist der Horror! Wenn ich daran denke, durch wie viele Versionen allein meine Kurzgeschichten laufen….

    Dafür kann sich das Ergebnis bei dir sehen lassen. Und die Zeichnungen erst… SO. MUCH. LOVE.

    Ein Cover in diesem verschwommenen Stil könnte ich mir übrigens sehr gut vorstellen. Es passt zu der Atmosphäre der Geschichte, und zu den Figuren.

    Bin schon so gespannt auf die fertige Version des ersten Bandes ^^

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    1. Hey Stella, danke für den Kommentar. Ja, manchmal ist es echt zum Schreien, aber der Aufwand lohnt sich immer. Und du weißt, ich liebe deine Kurzgeschichten. :3
      Bin selbst gespannt, wie ich das Cover hinbekomme. Ich brauche da sicher einige Anläufe, ehe es mir richtig gefällt.

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  2. Überarbeitung ist eine einzige Qual und sollte abgeschafft werden. ^_^

    Die Zweifel sind neben dem Streichen und wiederholtem Lesen, das schlimmste, was einen in der Phase trifft.
    Doch weiter so, das wird schon ❤

    Auf das Cover bin ich mal gespannt 🙂

    Uhh der Totenläufer :3

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  3. Überarbeiten ist bestenfalls Hassliebe, schlimmstenfalls der blanke Horror. Wenn das Endergebnis gut ist, fragt keiner, wie der Weg dorthin war, aber BIS es gut ist …

    Ha, noch jemand, der sich Skizzen macht, um zu wissen, wo jemand steht und wie der Kampf verläuft 😀 Auch im Computerzeitalter braucht der Autor Stift und Papier 😉

    Ich wünsche dir weiterhin viel Durchhaltevermögen, und halte dem inneren Kritiker entgegen. Er darf an den Szenen meckern, aber nicht an deiner Funktion als Autorin. Du bist der Boss. Und Selbstzweifel werden nicht ausdiskutiert, sondern ignoriert.

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    1. Danke, du hast mit allem recht. Stimmt mich sehr optimistisch, wenn ich das höre. Nach dem Weg bis zum Endprodukt wird man wirklich kaum gefragt, allerdings will ich mich auch nicht darüber beklagen. Solange ich es bis zum Ende schaffe, bin ich sehr zufrieden. :3
      +Mika+

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  4. Im Moment bin ich zum ersten Mal an einem Punkt, wo ich bewußt sehe, dass die Geschichte durch das Überarbeiten runder und besser wird und darum liebe ich es!
    (sonst finde ich es einfach nur schrecklich…)

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    1. Das klingt doch gut. Bei so etwas sollte man auch immer optimistisch sein und bleiben. Und ja, schon allein, weil man sich bei der Überarbeitung intensiv mit dem eigenen Text auseinander setzt, wird er besser. Ich denke da immer an ein Kunstwerk. Du kannst grob eine Skizze machen oder Monate an Details arbeiten, damit das Bild mehr Tiefe bekommt. Genauso ist es bei Büchern auch. Danke für deinen Kommentar.

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  5. Ich fühle mit dir! Vor allem der drumherum Kram bei Mehrteilern x.x
    Beim Überarbeiten gehts mir wie Jery: Hassliebe. Ich mich richtig drauf, die Szene endlich gerade zu biegen, hatte DIE Idee für den Charakter – und möchte mir lieber die Zehennägel ziehen lassen, als an dem Übergang zu arbeiten oder dieses Plotloch zu füllen.
    Deine Skizzen schauen super aus! Und ich bin schon gespannt auf dein Cover 🙂

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  6. Hallo Mika,

    Ich bin schon soooo unendlich gespannt auf dein Buch und auch auf das Cover!

    Ja, überarbeiten ist immer unglaublich schwierig. Übrigend habe ich auf die harte Tour gelernt, dass es oft sinnvoll ist, erst eine Beta drüber lesen zu lassen und dann erst zu überarbeiten. (Auch wenn es wehtut ein unfertiges Werk zur Kritik rauszugeben 😉 ).
    Bevor ich so gearbeitet habe, habe ich teilweise stunden- oder sogar tagelang an einem Kapitel gearbeitet, nur um dann zu hören, dass meine Beta es nicht versteht oder nicht nachvollziehbar findet. (Als Autor wissen wir ja sehr viel mehr und darum macht die Szene in unserem Kopf immer Sinn^^)

    Mittlerweile kriegt eine Beta das Manuskript direkt nach Fertigstellung, um mir zu sagen, welche Szenen ich besser beschreiben sollte, welche sie besonders mochte und welche gar nicht… , dann überarbeite ich das Manuskript und im Anschuss bekommt es eine andere Beta für den Feinschliff. Klappt richtig gut!

    Ganz liebe Grüße, Ina

    Ah, eine Frage noch! Mit welchem Programm machst du denn das Cover? Weißt du das schon?

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    1. Hey Ina,
      vielen Dank für deinen sehr lieben Kommentar. Freut mich sehr, dass dich mein Buch interessiert. Ich mache es inzwischen auch so, dass ich meinen Text in einem noch recht rohen Zustand jemandem zum Lesen gebe, das hilft tatsächlich ungemein. Allerdings ist die allererste Manuskriptversion in meinem Fall wirklich noch unleserlich. Und das, weil ich im Schreibprozess Dinge plötzlich ändere, sodass Anfang und Ende nicht mehr gut zusammen passen. Darum muss ich in den ersten ein oder zwei Runden diese Fehler erstmal eliminieren, ehe es jemand lesen kann/sollte. Ansonsten werden nachher Fehler angemerkt, die mir so schon klar waren und in der endgültigen Version nicht mehr aufgetaucht wären.
      Das Cover werde ich konventionell mit Photoshop erstellen. Ich hab jahrelang Mangas gezeichnet und komme damit ganz gut zurecht. Wenn es soweit ist, poste ich hier auch den Entstehungsprozess.
      Grüße
      +Mika+

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      1. Ja, das kenne ich gut! Mitten im Schreibprozess hat man plötzlich DIE IDEE und muss natürlich sofort alles umsetzen. Da passiert es schnell, dass Anfang und Ende nicht mehr so gut zusammen passen.^^
        Freue mich auf jeden Fall schon sehr auf dein Cover. Ich wollte vielleicht auch ein eigenes erstellen, aber da fehlt es mir deutlich an Talent.^^

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