… der unnötige Tod einer Hausangestellten …

Von September 2013 bis Oktober 2014 studierte ich an der japanischen Dokkyo-Universität in Saitama. Dort besuchte ich auch einen Kurs, der sich mit japanischen Geistergeschichten beschäftigte. Der Dozent war ein Historiker, der viel Zeit im Süden Japans verbrachte und Nou-Masken selbst herstellte.
Im Zuge der Veranstaltung begegnete mir auch die Geschichte von Okiku, die durch die Verfilmung „The Ring“ internationale Bekanntheit erlangt hat. Das Original kennt jedoch kaum jemand, obwohl das Bild einer schwebenden Geisterfrau über einem Brunnen wohl kaum mehr aus der Popkultur wegzudenken ist (siehe z.B. auch das Videospiel Projekt Zero). Zahlreiche ältere Holzschnitte japanischer Künstler zeugen von ihrer historischen Bedeutung. Siehe zum Beispiel Yoshitoshi (oben) und auch Hokusai (unten). Grund genug mal einen Blick auf das Original zu werfen.

Die Legende
Die Geschichte spielt im Japan der Edo-Zeit (zwischen 1709-1716) im Distrikt Bancho.
Okiku ist eine junge und sehr hübsche Angestellte des Flaggenträgers Aoyama Tessan. Diesem wurden von holländischen Händlern fünf Gedecke (dishes) anvertraut, auf die er Acht geben sollte. Eines Tages jedoch zerbrach seine Frau versehentlich einen der teuren Teller. Aus Angst vor der Reaktion ihres Ehemannes gab sie der jungen Okiku die Schuld an dem Malheur. Daraufhin wurde Okiku eingesperrt und musste mehrere Tage lang hungern. Immer wieder beteuerte sie ihre Unschuld, doch niemand glaubte ihr. Irgendwann gelang ihr die Flucht, doch sie konnte nicht mit der Schande leben und stürzte sich selbst in einen Brunnen. Von da an tauchte sie nächtlich auf und zählte von eins bis neun, um dann in einen lauten Schrei auszubrechen, der die Hausbewohner davon abhielt, Schlaf zu finden.
In einer zweiten Variante wird Okiku von dem Hausherren Aoyama umschwärmt, wehrt seine Annäherungen jedoch immer wieder ab. Aus diesem Grund greift Aoyama zu einem bösartigen Trick und versteckt einen seiner wertvollen Teller. In einem Vieraugengespräch wirft er Okiku vor, den Teller gestohlen zu haben und bietet ihr an, die Sache zu vergessen, sollte sie sich ihm freiwillig hingeben. Da sich Okiku keiner Schuld bewusst ist, weigert sie sich und Aoyama verfällt in einen bösartigen Zorn. Er tötet Okiku und wirft sie in den Hausbrunnen. Auch in dieser Version sucht der Geist Okikus den Brunnen heim und zählt von eins bis neun, kann jedoch nie die Zahl zehn aussprechen.

Was ist Okiku für ein Geist?
Japanische Geistergeschichten erfreuen sich weltweit großer Beliebtheit. Im Gegensatz zu den brutalen Horrorgeschichten der modernen Literatur, die vorrangig darauf abzielen blutig, ekelhaft und psychologisch zu sein, geht es in japanischen Geschichten um gruselige Elemente. Verzerrte Laute, geisterhafte Stimmung, düstere Atmosphäre. Der Ausdruck Yurei bezieht sich dabei auf alle Geistergestalten. Im Japanischen gibt es jedoch eine solche Vielfalt von Geistergeschichten, dass sich für einzelne Geister eigene Begriffe entwickelt haben. Die Hausangestellte Okiku wird dabei als ein Rachegeist (Onryo) bezeichnet, denn auch wenn sie niemandem direkt Schaden zufügt, so rächt sie sich an ihren Hausherren, indem sie diese Nacht für Nacht mit ihrem Schrei peinigt.
Quellen:
Hyakumonogatari
Stevenson, John (2005): Yoshitoshis strange Tales.
Wikipedia
Abbildungen:
Yoshitoshis Holzschnitt (siehe Hyakumonogatari)
Hokusais Holzschnitt (siehe Hyakumonogatari)
JDarnell auf Deviantart
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