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Wenn vierzig Leute gleichzeitig schreiben

… Erfahrungsbericht zur Nacht der Wilden Worte …

Inzwischen sind drei Wochen im Schreibmonat November vergangen. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen gesammelt, ist verzweifelt, noch immer euphorisch oder bereits routinierter Wortzähler. Ich für meinen Teil spüre eine Mischung aus allen drei Aspekten. Euphorisch, weil ich schon die Hälfte meines Romans auf Papier habe. Verzweifelt, weil die Struktur einfach nicht hinhaut. Routiniert, weil ich täglich mindestens eine Stunde für das Schreiben investiere. Vorletztes Wochenende konnte ich im Rahmen des NaNo endlich ein paar meiner Schreibkollegen bei der „Nacht der wilden Worte“ persönlich treffen.


Die Nacht der wilden Worte

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Schon mal in einem Raum mit vierzig Leuten gesessen, die alle fleißig und schnell auf ihren Tastaturen tippen? Nein. Ich bis zum vorletzten Wochenende auch nicht, aber es ist ein grandioses Gefühl, kann ich euch sagen. Vom 14.11. bis zum 15.11. fand in Hamburg die „Nacht der wilden Worte“ statt. Schreibende NaNos aus ganz Deutschland fanden sich zusammen, tauschten sich aus, philosophierten über das Schreibhandwerk und tippten einige Wörter in ihrem derzeitigen Projekt. Sechs Stunden lang wurden aus uns einsamen Wölfen und Wölfinnen Gemeinschaftstiere, die alle ein Ziel verfolgten: So viel zu schreiben wie nur möglich. Kein Wunder also, dass man an den Vierertischen auch gegeneinander antrat. Wer schreibt in welcher Zeit wie viele Wörter, war das Gebot der Stunde.

Der Veranstaltungsort tat sein Übriges, um mich in die richtige Schreibstimmung zu versetzen, denn getippt wurde nicht in einem Café, sondern in der Pauluskirche in Hamburg. Draußen war es kalt und finster, Nieselregen lag über der Stadt und wir saßen bis zur Mitternacht in einer Kirche bei Tee, Kaffee und Baguettes. Daran könnte ich mich glatt gewöhnen.

Was die Stimmung des Abends betraf, gehe ich mit gemischten Gefühlen nach Hause. Die Autoren waren ausgelassen, konzentriert, hoch motiviert und sehr gesprächig, aber der Wettbewerbscharakter war nicht mein Fall. Es gab WordWars, das heißt in 15 Minuten wurde wie verrückt drauflos getippt und danach gezählt, wie viele Wörter man geschafft hat. Derjenige mit den meisten Worten bekam anerkennenden Applaus. Ergänzt wurde das Programm durch Speed Datings, in denen es im Grunde auch darum ging, in 15 Minuten so viel zu schreiben wie möglich, um sich danach mit den anderen Autoren darüber auszutauschen. Da hätte ich mir beispielsweise gewünscht, dass wir uns gegenseitig das Geschriebene vorlesen, um über den Inhalt diskutieren zu können. Dem war jedoch nicht so. Es geht ja beim NaNo bekanntlich darum, die Geschichten voranzubringen und nicht über Kritikpunkte nachzudenken. Schade war es trotzdem, denn ich bin immer interessiert daran, was der Einzelne so aufs Papier bringt.

Außerdem gab es noch eine Tombola, Poster auf denen jeder seine liebsten Zitate, Ziele des Abends oder seinen Wordcount eintragen konnte. Mein persönliches Highlight war allerdings der Pep Talk von Andreas Eschbach, der auf einer A4 Seite zusammengefasst hat, warum der Mittelteil eines Romans immer der schwerste ist. Man weiß eben einfach nicht, welchen Weg man genau einschlagen soll, um zum Ziel zu kommen.

Gegen Null Uhr löste sich alles langsam auf. Einige Wenige blieben bis zum Schluss und kümmerten sich darum, dass das Kaffeekränzchen der Omas am nächsten Tag wie gehabt stattfinden konnte und keine Schreibnachtüberbleibsel (was für ein Wort) zurückgelassen worden.

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So sah der Raum aus, den wir für die Schreibnacht zur Verfügung hatten. Man sieht, alle schreiben fleißig.

Fazit: Unter Druck schreiben ist …

… nicht mein Ding. Während einige gerade durch die WordWars angespornt waren, so schnell wie möglich ihren Text voranzubringen, war ich durch den Druck wie blockiert. Ich wollte mit den Teilnehmern sprechen und erfahren, worum es in ihren Geschichten geht, denn daher nehme ich meine Motivation. Von Geschichten zur Erinnerung an die verstorbene Mutter, über Dreiecksbeziehungen, Young Adult und eine Fanfiction von „Alles steht Kopf“ war alles vertreten. Ich fühlte mich mit meinem Science-Fiction Projekt, das zumindest etwas gesellschaftskritisch sein möchte, weniger kreativ als einige meiner Kollegen/Innen im Raum. Alles in allem war die Schreibnacht für mich eine grandiose Erfahrung. Da war selbst die Überraschung mit der Bahn vergessen. Auf der Hinfahrt nach Hamburg hieß es nämlich in Uelzen: Überspannungsschaden, bitte pressen sie sich mit aller Kraft in den SEV. Nun gut, das bin ich ja von der Tokioter Rush Hour gewöhnt.

Ich danke allen, die diesen Abend zu einem Erlebnis gemacht haben und möchte mich im Besonderen bei meiner Gastgeberin Johanna bedanken, die mich bei sich aufgenommen hat 🙂 Ich hoffe, man sieht sich bald wieder.

+ Mika +

PS: In der dritten Woche des NaNo hatte ich tatsächlich einen ernsthaften Hänger. Ich würde es nicht Schreibblockade nennen, aber die ersten Zweifel am Sinn meines Projektes haben sich eingeschlichen. Das habe ich zum Glück überwunden und inzwischen bin ich bei 45.000 Wörtern angekommen.

9 Gedanken zu „Wenn vierzig Leute gleichzeitig schreiben“

  1. Herzlichen Glückwunsch für die 45.000 Wörter 😀

    Beim Thema Mittelteil muss ich an einen Author Talk von Dennis Lehane denken (kann nur empfehlen, sich Author Talks der Lieblingsautoren auf YouTube anzugucken; mich motiviert das ungemein). Er sagte, dass der 2. Akt der schwerste Teil des Buches ist, weil sich sämtliche Probleme des 1. Aktes erst im 2. Akt zeigen: Handlungsstränge, die im Sand verlaufen, andere, die man nicht richtig aufgebaut hat etc. Er kennt auch keinen einzigen Autor, der damit keine Probleme hat.

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    1. Danke, ich bin auch ganz erstaunt, dass ich schon so weit gekommen bin. 🙂 So langsam gewöhne ich mich an etwa 1.000 Wörter pro Tag. Trotz Arbeit. Sie gehen mir auch viel schneller von der Hand. Wie sieht es bei dir aus?
      Oh ja, da stimme ich absolut zu. Der Mittelteil ist Horror. Meistens hat man Anfang, Ende und einzelne Szenen im Kopf, aber alles logisch zu verbinden, ist die eigentliche Kunst.

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      1. Es geht bei mir langsam voran. Neulich hat mich meine Vampirin schon wieder total überrascht (die Vorzüge eines Pantsers). Und mit meinen anderen Figuren stehe ich auch wieder im Dialog … auch wenn sich eine Figur in den Vordergrund spielen will, nur weil sie telekinetische Kräfte besitzt 😛

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    1. Generell stimme ich dir da zu. Beim NaNo entstehen in der ersten Version keine druckreifen Werke, da es nur um Wörter geht. Allerdings entwickelt man eine Schreibroutine und der Austausch zwischen den Autoren ist super. Dafür lohnt sich das Mitmachen allemal. 🙂

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  2. Oh, da wäre ich gerne gewesen!
    Wenn das nächstes Jahr wieder stattfindet, komm ich 100%
    Auch wenn Du sagst, Wordwars sind nicht Dein Ding (meines sind sie auch nicht), reizt mich die ganze Beschreibung des Abends!

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