Schreibarbeit

Warum wir uns gruseln wollen. Von Angstlust und Gruselgeschichten

 … Ein Beitrag zu Halloween …

In ein paar Tagen ist es so weit. Halloween steht vor der Tür. Das ist meine Zeit, denn ich will mich gruseln. Vor schaurigen Gestalten, untoten Monstern oder geheimnisvollen Schattengestalten. Nur worin genau besteht die Faszination des Gruselns und was macht sie aus?


Das psychologische Phänomen, das sich hinter dem „Sich-Gruseln-Wollen“ verbirgt, heißt Angstlust und bezeichnet das Streben, Angst zu empfinden. Es ist ein Zustand, in dem wir Angst positiv wahrnehmen, obwohl sie eine Emotionen ist, die wir generell unangenehm finden. Dieser merkwürdige Mix entsteht immer dann, wenn wir uns in einer beängstigenden Situation sicher fühlen. Wenn wir nämlich wissen, dass der als Zombie verkleidete Typ im Geisterhaus nicht wirklich ein Zombie ist, sondern eigentlich ein Mensch, der uns absolut gar nichts tun wird. Kurzzeitig schrillen die Alarmglocken, unser Körper schreit „Gefahr“, dann ist es aber auch schon wieder vorbei und wir stellen fest, dass all die Aufregung völlig unbegründet war. Wir leben, erfreuen uns bester Gesundheit und hatten einen riesen Spaß. Das ist ein Zustand, der auch von Extremsportlern empfunden und beschrieben wird. Wir befinden uns zwischen Angst und Euphorie.


Nur wieso sind manche Gruselgeschichten ängstigend und manche eben nicht?

Das selbe Prinzip funktioniert auch in Büchern. Wer kennt es nicht, das Buch „Friedhof der Kuscheltiere“, von Stephen King. Haustiere, die ins Reich der Toten gehören, erwachen zum Leben und terrorisieren eine Familie. Die tote Katze stürmt das Haus und am Ende lebt sogar der getötete Junge. Wir geben uns der Fantasie hin, dass dies auch mit unseren Haustieren passieren könnte und gruseln uns. In Panik verfallen wir jedoch nicht, denn wir wissen ganz genau, dass unsere Hauskatze niemals zu einem brutalen, untoten Mörder werden wird … oder?

Eine Gruselgeschichte spielt also mit uns und unseren Gefühlen. Sie forciert die Vorstellung einer unheimlichen Macht, die uns bedroht, die wir am Ende jedoch besiegen. Meistens indem wir einfach das Buch zuschlagen und denken: „Hui, gut, dass ich hier gemütlich in meinem Wohnzimmer sitze.“ Das ist der Grundgedanke. Was jedoch alles dazu gehört, um eine Geschichte so zu schreiben, dass ihr euch am Ende gruselt, lest ihr im nächsten Absatz.


Was genau macht einen Gruselroman nun eigentlich gruselig?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich ein paar Foren durchforstet, Blogbeiträge über das Schreiben gelesen und in der Nächtlichen Schreibwerkstatt auf Facebook nachgefragt. Einfach ist es nicht, denn neben der psychologischen Komponente hängt es von der Persönlichkeit des Lesers, von der Lesesituation* und vom Stil der Geschichte ab, ob eine Geschichte gruselig ist oder nicht. Da ein Roman keinen Einfluss darauf hat, wo er gelesen wird und was für einem Menschen er in die Hände fällt, konzentriere ich mich auf den Punkt des Stils der Geschichte. Wie muss das Geschenk also verpackt sein, damit wir es vor Angst zitternd nicht mehr öffnen wollen?

  • Es wird von etwas berichtet, was wir nicht kennen, aber uns vorstellen können

Ein undeutlicher Schatten schleicht um die Ecke, Nebel hängt in der Luft, Schritte sind zu hören, aber wer den Protagonisten verfolgt, dass erfahren wir nicht. Denn wenn wir es wüssten, wäre die Szene gestorben. Wir würden uns nicht fürchten. Solange wir jedoch im Ungewissen bleiben gruseln wir uns, und im besten Fall wird unsere Neugierde so groß, dass wir mit dem Weiterlesen nicht aufhören können.

  • Wir können uns so gut in die Figur hineinversetzen, dass wir uns aus Gründen der Empathie mitgruseln

Je konkreter die Angst der Figur in der Szene beschrieben ist, umso mehr können wir uns in sie hineinversetzen und fühlen mit. Demnach ist es nur logisch, dass eine Szene/ein Roman nur dann furchteinflößend sein kann, wenn der Protagonist selbst sich fürchtet. Klingt banal, aber nicht jede Geschichte hat eine Figur, mit der wir uns identifizieren können.

  • Unerklärliche Dinge passieren

Eine Uhr fällt plötzlich von der Wand, der Wecker geht an, das Licht flackert und um uns herum wird es eisig kalt. Alles Elemente, die man in einem guten Gruselfilm oder Roman finden kann. Sie sind deshalb so wirkungsvoll, weil es Dinge sind, die nicht natürlich sind. Auch wenn sie vielleicht einen logischen Ursprung haben, ist all das, was für uns im ersten Moment nicht normal ist, fremd und demnach ängstigend.

  • Anschauliche Bilder helfen uns, die Szene nachzuempfinden

Es gibt sie, die Vergleiche, die wir benutzen, um Blumen zu beschreiben oder einen sonnentaugetränkten Frühlingsmorgen. Aber genauso gibt es Bilder/Vergleiche/Metaphern, die uns ängstigen. Dazu sollten die Bilder im besten Fall widernatürlich sein. Ob ekelhaft, unnatürlich, brutal oder geheimnisvoll, je anschaulicher ein Geruch oder Geräusch dargestellt wird, umso mehr können wir uns in die Szene hineinversetzen, fühlen mit und haben schlussendlich Angst.

  • Nur eine kurze und knappe Erzählweise bringt genügend Schwung in eine Szene, um uns das Adrenalin durch die Glieder steigen zu lassen

Der Killer einer jeden Gruselgeschichte sind ausschweifende Erklärungen der Umgebung. In einer gruseligen Szene wird sich einzig auf die Angst konzentriert und das, was Angst machen könnte. Alle anderen Elemente sind nicht notwendig und können getrost wegfallen.

Im Endeffekt haben wir es alle in uns, den Wunsch nach dem Angstkick oder der Lust nach Angst. Und wenn ihr jetzt auf der Suche nach gruseliger Literatur zu Halloween seid, dann werft einen Blick in die kürzlich erschienene Sammlung der Autorengruppe Qindie „Dunkle Seelen“. In dem Sinne wünsche ich euch ein fürchterliches Halloween und einige angenehme Schreckmomente. 🙂

Slider-Dunkle-Seelen

+ Mika +

(*) Unter Lesesituation verstehe ich die Umgebung und das Gefühl, indem wir lesen. Es macht einen Unterschied, ob wir auf einer Parkbank bei Sonnenschein eine Gruselgeschichte lesen oder aber abends, den eReader in der Hand, im Halbdunkel an einer Bushaltestelle sitzen.


Quellen:

Beitragsfoto: Depositphoto, Standardlizenz von artshock

Tintenzirkelforum: Der Grusel-Effekt

Diskussion in der Gruppe „Nächtliche Schreibwerkstatt“ vom 24. Oktober.

Marcus Johanus: Wie man eine verdammt gute Horror-Geschichte schreibt

RP Online: Warum wir Lust an der Angst empfinden

Apotheken Umschau: Angstlust: Die Freude am Nervenkitzel

München Heilpraktiker: Warum wir uns gerne gruseln

2 Gedanken zu „Warum wir uns gruseln wollen. Von Angstlust und Gruselgeschichten“

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